Der Hintergrund für das Gesamtziel des Vorhabens „Bio2020Plus“ ist die Notwendigkeit für die aus der EEG-Förderung ab 2020 auslaufenden Bioenergieanlagen und auch für Neuanlangen ökonomische und umweltrelevante Perspektiven durch innovative Post-EEG-Geschäftsmodelle aufzuzeigen und somit auch bedeutende Beiträge dieser Anlagen zum Klima- und Umweltschutz abzusichern und weiterzuentwickeln.
Durch Nutzung der Bioenergie – statt fossiler Energie - konnten in 2015 nach den offiziellen Zahlen der Bundesregierung die Treibhausgasemissionen in Deutschland um 64,0 Mio. t (in CO2-Äquivalenten)
gesenkt werden (davon 26,8 Mio. t durch die Stromerzeugung, 32,8 Mio. t durch die Wärmeerzeugung und 4,4 Mio. t durch die Biokraftstofferzeugung). Damit erbringt die Bioenergie rund 43% der
CO2-Minderung sämtlicher erneuerbarer Energien und somit den weitaus größten Beitrag zum Klimaschutz.
Die Marktlage für die Bioenergie in Deutschland ist aber nach wie vor sehr angespannt. Für die kombinierte Strom- und Wärmeerzeugung aus Biomasse war das EEG 2014 eine Vollbremsung. Im Biogasbereich
findet nur noch ein sehr moderater Zubau bei kleinen güllegeführten Biogasanlagen statt, zudem sind einige wenige Bioabfallvergärungsanlagen in Betrieb gegangen. Neue Biogasanlagen auf Basis von
nachwachsenden Rohstoffen können mit den deutlich verschlechterten ökonomischen Rahmenbedingungen des EEG 2014 nicht mehr in Betrieb genommen werden. Bei den Holzheizkraftwerken ist aus gleichen
Gründen seit 2014 faktisch kein weiterer Marktausbau mehr zu verzeichnen.
Mit der im Sommer 2016 durchgeführten EEG-Novelle hat die Bundesregierung nun festgelegt, die Förderung von Erneuerbaren Energien zukünftig über Ausschreibungsverfahren anstelle der bisherigen
Festpreisvergütungen über das EEG zu vergeben.
Im September 2017 startet nun die erste Ausschreibungsrunde für die Bioenergie. In den Jahren 2017, 2018 und 2019 beträgt das Ausschreibungsvolumina jährlich 150 MV, in den Jahren 2020, 2021 und 2022
sind es dann jährlich 200 MW. Teilnehmen an den Ausschreibungen können Neuanlagen und Altanlagen. Für Neuanlagen gilt eine Gebotshöchstgrenze von 14,88 Cent/kWh, im Erfolgsfall wird zum erfolgten
Zuschlagspreis eine 20-jährige Vergütungsdauer erworben. Für Altanlagen beträgt die Gebotshöchstgrenze 16,9 Cent/kWh, hierfür erhält der Anlagenbetreiber eine weitere 10-jährige Vergütungsdauer als
Anschlussperspektive. Bestehende Altholzanlagen sind jedoch von den Ausschreibungen ausgeschlossen und somit gegenwärtig ohne eine ökonomische Anschlussperspektive nach Auslaufen der EEG-Förderung
ausgestattet.
Die ersten Bioenergie-Bestandsanlagen laufen bereits ab 2020 aus der bisherigen EEG-Vergütung heraus. Ohne Anschlussregelungen wird es ab 2020 in den Folgejahren einen massiven Rückbau der in
Deutschland installierten Bioenergieanlagen geben. Dies kann energiewirtschaftlich, volkswirtschaftlich und auch aus Umwelt- und Klimaschutzaspekten nicht gewollt sein. Ohne ökonomische
Anschlussperspektiven, auch über neue innovative Post-EEG-Geschäftsmodelle, besteht die Gefahr, dass durch einen Rückbau des Anlagenbestandes die erzielten oben skizzierten Klimaschutzeinsparungen
wieder verloren gehen. Die Ausschreibungsrunden bieten daher die Chance, über eine erfolgreiche Beteiligung einen weiteren ökonomischen Anlagenbetrieb zu ermöglichen und den Anlagenbetrieb in
Richtung Effizienz und Nachhaltigkeit durch innovative Weiterentwicklungen zu optimieren. Klar ist aber auch, dass die Ausschreibungsvolumina ab 2022 für die Folgejahre deutlich erhöht werden müssen,
um ab diesem Zeitraum ein Rückbauszenario zu verhindern.
Insgesamt setzt die Politik zukünftig auf eine verstärkte Marktintegration der erneuerbaren Energien und so auch der Bioenergie. Neben der Beteiligungsmöglichkeit an den Ausschreibungen besteht daher für Bioenergie-Neu- und Bestandsanlagen die dringende Notwendigkeit, innovative neue Geschäftsmodelle außerhalb des EEG zu entwickeln. Ohne Anschlussregelungen und Geschäftsmodelle mit einer Zukunftsperspektive wird es spätestens ab 2021 zu großen Stilllegungswellen kommen, weil die ersten Bioenergieanlagen nach Ablauf des Förderzeitraums aus der EEG-Förderung herausfallen und ohne entsprechende Anschlussregelungen wirtschaftlich nicht weiterbetrieben werden können. Die in der BMWi-Marktanalyse für Biomasse (2015) für das Jahr 2007 ausgewiesenen 3,5 Gigawatt (GW) installierter Leistung würden spätestens bis 2028 stillgelegt werden. Dies entspricht knapp 30% der heute noch in Betrieb befindlichen Kernkraftwerkskapazität oder 7 neuen Kohleblöcken (mit einer Leistung von jeweils 500 MW). Bereits finanzierte Infrastruktur würde verloren gehen und müsste später, wenn sie benötigt wird, neu errichtet werden. Ein solches Rückbauszenario hätte auch negative Effekte auf den Klima- und Umweltschutz.
Bioenergie-Anlagenbetreiber benötigen daher bereits kurzfristig – und nicht erst ab 2020 - dringend das Know-how und diesbezügliche Beratung, mit welchen neuen Geschäftsmodellen bestehende
Bioenergie-Anlagen über 2020 hinaus effizient und nachhaltig betrieben werden können. Der überwiegende Teil der Anlagenbetreiber steht nach der EEG-Novelle 2016 vor der existentiellen Frage, ob und
in welchem Maße er noch einmal in seine Anlage investieren sollte. Dabei geht es sowohl um Effizienzsteigerungen (z.B. Ersatz überalterter Technik bzw. auch lebensverlängernde
Instandhaltungskonzepte) und Emissionsminderungsmaßnahmen (z.B. durch Grenzwertverschärfungen im Zuge der Umsetzung von MCP-Richtlinie und IED), als auch um Sicherheitsanforderungen (z.B. Umwallung
des Geländes) und den Aufbau einer Infrastruktur, die den Förderbedarf der Anlage reduzieren kann (z.B. Umrüstung für bedarfsgerechte Stromerzeugung, Aufbau eines Wärmenetzes, Integration von
Speichertechnologien etc.). Von der Rohstoffseite stellt sich für den Anlagenbetreiber die Frage, auf welche Stoffströme er zukünftig setzt, um einen nachhaltigen und effizienten Anlagenbetrieb zu
ermöglichen (Rest- und Abfallstoffe, Diversifikation beim Energiepflanzenanbau etc.).
Für Anlagenbetreiber müssen demzufolge bereits heute dringend Geschäftsmodelle aufgezeigt werden, Einkommensquellen außerhalb der EEG-Förderung zu erschließen. Dazu gehört zum Beispiel die
Bereitstellung klimafreundlicher Wärme durch eine optimierte Nahwärmeversorgung, das Angebot von passenden Mobilitätdienstleistungen (z.B. Nutzung von Biomethan als Kraftstoff) sowie von gesicherter
und flexibler elektrischer Leistung und von Systemdienstleistungen für das Stromnetz. Auch Vermarktungskonzepte außerhalb des EEG (z.B. Direktversorgungsmodelle für die regionale Strom- und
Wärmeversorgung, Grün-Strom- und Grüne-Wärme-Modelle, Bioraffinerie-Konzepte) können Perspektiven für den ökonomischen Fortbestand von Bioenergie-Anlagen aufzeigen. Ebenso bieten Speichertechnologien
sowie Power-to-Heat-, Power-to-Gas- sowie Power-to-X-Verfahren innovative Lösungsoptionen für eine effiziente Sektorkopplung und somit für eine systemische Integration der Bioenergie in die
Energiewirtschaft an.
Insgesamt besteht die Herausforderung, Bioenergieanlagen zukünftig systemisch in die Energiewirtschaft integrieren zu müssen. Während in der Vergangenheit Bioenergieanlagen überwiegend unter der
Zielausrichtung einer maximalen Strom- und Wärmeproduktion betrieben wurden und der Anlagenbetreiber sich durch das Privileg der vorrangigen Einspeisung ins Stromnetz nahezu keine Gedanken um die
energiewirtschaftliche Verwendung seiner erzeugten Produkte (Strom und Wärme) machen musste, wird es zukünftig einen Paradigmenwechsel und eine neue Rolle der Bioenergie in einer überwiegend
erneuerbaren Energieversorgung geben müssen. Bioenergie und hier insbesondere Biogas ist speicherbar, kann bedarfsgerecht zur Verfügung gestellt werden und hat somit ein Alleinstellungsmerkmal unter
den Erneuerbaren Energien. Bei weiter wachsenden Anteilen der fluktuierenden erneuerbaren Stromerzeugung aus Windkraft- und Photovoltaikanlagen wird die Rolle von Bioenergieanlagen zukünftig vor
allem darin bestehen, die fluktuierende Einspeisung erneuerbarer Energien auszugleichen.
Dieser Strom sollte vorrangig in Kopplung mit der Wärmeerzeugung und damit verbrauchernah erzeugt werden und Netzsicherheit, Regelenergie, Bedarfsgerechtigkeit und auch gesicherte Kapazität liefern. Diese neue Rolle von Bioenergieanlagen wird bereits durch die EEG-Novelle 2012 und 2014 flankiert und angereizt: Durch die sogenannte Flexibilitätsprämie sollen Biogas-Bestandsanlagen ökonomische Anreize für einen Systemwechsel (weg von maximaler Stromproduktion / hin zu einer bedarfsgerechten Stromproduktion) erhalten, für neue Biogasanlagen ist die bedarfsgerechte Stromproduktion sogar eine Voraussetzung für eine EEG-Förderung. Zudem ist die Direktvermarktung des er zeugten Stroms zukünftig eine zwingende Voraussetzung und Geschäftsgrundlage für Bioenergieanlagen.